"Erst am Wettkampfmorgen der Jugend-DM teilte
mir mein Trainer Herr Hauser mit, dass ich nicht die 3000m flach sondern das
Hindernisrennen bestreiten sollte.
Während ich mich für mein Rennen
warmlief fand im Stadion das 3000m Finale statt und man sah schnell, dass es
kein schnelles Rennen werden würde. Der Titel ging in ca. 10:10 Minuten weg.
Eine Zeit die ich zu diesem Zeitpunkt allemal laufen konnte. Natürlich ärgerte
ich mich gewaltig, hatte ich doch hier eine Chance auf eine Medaille vergeben, die mir die Hindernisstrecke
vielleicht nie eröffnen könnten? Dennoch nahm ich meine ganze Kraft zusammen und
konzentrierte mich auf das nun anstehende 2000m Hindernis Rennen. In dieser
jungen Disziplin war es noch etwas ungewohnt über die Hindernisse zu gehen. Und
genau das machte mir Sorgen: in den Wassergraben zu fallen oder über ein
Hindernis zu purzeln und am Ende mit leeren Händen dazustehen. Dann fiel der
Startschuss. Die ersten 1500 m im lief ich mit Sicherheitsabstand auf
Position vier. 300 m vor dem Ziel verschärfte ich mein Tempo und konnte noch 2
Läuferinnen überspurten. Das Ziel vor Augen stieß ich am letzten Hindernis mit
dem Knie voll gegen den Holzbalken, rettete mich aber noch auf den zweiten Platz
hinter Antje Hofmann. Ich konnte es kaum glauben, ich hatte eine Medaille bei
den Deutschen. Nach meinem Zieleinlauf kam Herr Hauser ganz aufgeregt auf mich
zu und erzählte irgendetwas von wegen EM. Vor dem Rennen war nie die
Rede davon, dass in diesem Jahr eine Europameisterschaft anstand, geschweige
denn, dass ich mich dafür qualifizieren könnte. Im Nachhinein weiß ich, dass
dies wieder mal eine der taktischen Meisterleistungen von Herr Hauser war,
wusste er doch ganz genau, dass ich über die Hindernisse international dabei
sein konnte. Dieser zerrte mich von der Ziellinie weg zu zwei Herren.
Wie sich herausstellte waren dies die DLV-Trainer Henning von Papen und Lutz
Zauber. Sie nahmen meine Daten auf und machten mir klar, dass ich am Mittwoch
den 11. Juli - meinem 18. Geburtstag - nach Kienbaum bei Berlin zum
Vorbereitungstrainingslager kommen sollte. Im Anschluss daran bekam ich die
DLV-Kollektion samt Rucksack ausgehändigt. Alles kam so schnell und so
plötzlich, ich wusste gar nicht wie mir geschah. Ich kannte doch Niemanden:
weder Athleten, noch Trainer.
Da ich mir meinen 18. Geburtstag anders
vorgestellt hatte als alleine im Zug nach Berlin zu fahren beschlossen meine
Mutter und mein Bruder mich als Geburtstagsgeschenk zu begleiten. Zuvor jedoch
gab es noch eine Hürde zu überwinden, ich musste an der Schule frei
bekommen. Anfangs wurde uns mitgeteilt, dass man ein Fehlen über einen
längeren Zeitraum, 2 Wochen und nicht 2 Tage vorher beantragen müsse. Nach
langem Hin und Her und einer Vorsprache beim Rektor wurde mir dies dann
doch genehmigt. Ich musste dies jedoch teuer bezahlen, denn ich
bekam - mangels Teilnahme an schulischen Veranstaltungen - eine
befriedigend in Mitarbeit, die mir einen Preis oder eine Belobigung beim
Abiturzeugnis verbaute.
Nach einer Woche Kienbaum ging es dann endlich nach
Italien, ging es zur U20 EM nach Grosseto. Und was uns dort erwartete war
einfach unglaublich:
Das 4-Sterne-Hotel aus dem Prospekt hatte mehr etwas von einer Bauruine als von dem
angekündigten nagelneuen Hotelkomplex.
Obwohl es einen Tag vor unsere Ankunft
den Betrieb eröffnet hat zeigte sich schnell, dass es einige Einschränkungen
geben sollte. Herunterhängende Stromkabel, provisorische Treppengeländer und ein
Hotelhälfte im Rohbau bestimmten das Bild. Und 900 Athleten waren da nicht
einfach unterzubringen: Kurzerhand wurden die Zweibettzimmer in Vierbettzimmer
umfunktioniert.
Mein Wettkampf fand am letzen Tag der Meisterschaften statt und ich war
mächtig aufgeregt, da ich vergeblich auf meinen Trainer wartete, der mir
versprochen hatte zu kommen. Auch keiner meiner Familie oder meiner Freunde
konnte - aus diversen Gründen - da sein, weil ja alles so kurzfristig
war.
Das
Rennen war sehr hart, da wir am Vortag einen Testlauf über 1000m Hürden in
Wettkampftempo machten, was ich nicht gewohnt war. Dennoch konnte ich mit 6:55
Minuten eine neuen persönliche Bestzeit aufstellen und wurde um Haaresbreite
Neunte, leider einen Platz an der Punktwertung vorbei. Da flossen ein paar
Tränen, auch weil mir erst da klar wurde, was die letzten Tage eigentlich alles
passiert war. Da hab ich mich bei der DM noch
aufgeregt und plötzlich war ich bei Europameisterschaften. Das war ohne Frage
ein aufregendes und schönes Erlebnis, bei dem ich auch viele nette Menschen
kennenlernen durfte."
Schon seit sie 1998 in den D-Kader kam, hatte sie das Ziel einmal international zu starten. Und auch wenn nun schon vier Jahre vergangen sind erzählt Christine Schleifer immer noch sehr gern und sehr enthusiastisch von Grosseto. "Wenn du einmal so etwas miterlebt hast, dann willst du das wieder, willst du wieder zu einer internationalen Meisterschaft." Für Christine Schleifer war diese Nominierung eine Art Motivationsschub, ein Moment in ihrem Leben, der sie tiefer als alles andere darin bestätigt hat mehr Zeit und mehr Energie in den Laufsport zu investieren. Spaß an der Bewegung hatte sie schon immer, wie ihr Weg nach Grosseto verdeutlicht.
Weg zur Leichtathletik...
"Eigentlich hab ich mit Leichtathletik angefangen weil mein Bruder das auch machte." Mit spielerischem Training fing Christine Schleifer im Alter von 8 Jahren beim TV Mühlacker mit der Leichtathletik an. "Da hab' ich eigentlich alles gemacht, nur Wurf, das konnte ich nie. Wir fuhren oft zu regionalen Wettkämpfen und Kreismeisterschaften." Und schon damals zeigte sich, dass Christine Schleifer Talent im Laufen besaß: "Ich war im Laufen schon ganz gut, obwohl ich das ja gar nicht trainiert hab'." Auch an den ersten Laufwettkampf, die Kreismeisterschaften im Waldlauf, kann sich die Studentin noch gut erinnern. "Ich bin da fast um mein Leben gerannt, weil ich dachte die anderen wollen mich fangen. So kannte ich es ja aus dem Training." Parallel dazu ging Christine Schleifer ins Fechten, das sie aber mit 13 aufhörte. "Ich war in der Region praktisch konkurrenzlos und sollte in ein Sportinternat. Das wollte ich nicht, also hab' ich aufgehört."
In der Schule war Christine Schleifer zudem in der Leichtathletik AG und qualifizierte sich bei Jugend trainiert für Olympia für's Badenfinale. "Dort machte ich Hochsprung, Staffel und die 800m." Die 800m gewann Christine Schleifer, woraufhin sie Herr Böhler, ihr damaliger Sportlehrer fragte was sie denn so trainiere. Christine Schleifer konnte nicht viel sagen. "400m Warmlaufen war mein Ausdauertraining und das zweimal die Woche." "Dein Lauftalent muss gefördert werden" sagte Herr Böhler und empfahl ihr die LG Maulbronn. "Mit 13 bin ich dann montags das erste Mal nach Maulbronn ins Lauftraining und es war der blanke Horror. Der erste Dauerlauf dort ging über 10km und das wo ich nie länger als 800m am Stück gelaufen bin, ich war so kaputt." In Maulbronn war man nicht sonderlich von Christine Schleifers Lauftalent überzeugt. "Die sagten, dass ich sowieso kein Talent im Laufen hatte, doch für die 800m war ich gut genug."
Ein Jahr später, mit 14 Jahren, lief Christine Schleifer die 800 Meter in 2:28 Minuten und wurde bei Ihren ersten Württembergischen Meisterschaften Neunte. "Von da an war mein Ziel eine Medaille bei Württembergischen Meisterschaften." denn Christine Schleifer steckt sich Ziele die greifbar sind. "Mein Training umfasste damals einmal Tempoläufe auf der Bahn, zweimal Kräftigung und Mehrkampftraining. Dazu kam ein Dauerlauf. Das waren in der Woche so zwischen 6 und 20km Umfang, im Urlaub schaffte ich einmal sogar 36km." Und auch im Hochsprung zeigte die schon damals extrem schlanke Athletin, dass sie auch in dieser Disziplin eine gute Perspektive gehabt hätte. Doch sie entschied sich für das Laufen. Eine Entscheidung in der sie die folgenden Jahre bestätigt werden sollte
Ende 1997, dem Einstieg in die Saison als Schülerin W15, wuchs der Umfang auf 40km die Woche an. "Montags waren immer Tempoläufe auf dem Plan. Beispielsweise 800m in 3:11, 2000m in 8:54min, 1200m in 5:06min und noch mal 800m in 3:11. Das Ganze mit 4 Minuten Pause. Ein anderes Programm war 5x4 Minuten Fahrspiel im Wald mit 3 Minuten Trabpause." Der erhöhte Trainingsumfang zahlte sich aus, Christine Schleifer überraschte beim Meeting in Pliezhausen, mit einer Leistung die heute noch immer erstaunlich ist. "Bis heute weiß ich nicht wie ich damals so schnell laufen konnte." Mit unglaublichen 1:36 Minuten über 600 Meter schlug sie die komplette jugendliche Landesspitze und zeigte das erste Mal, dass ein bisschen Talent schon da sein musste. "Danach sagten mir alle, dass ich ja jetzt die 800m auf jeden Fall unter 2:20 laufen müsse." Doch Christine Schleifer ist keine, die sich machen lässt, ist keine die blind das macht was man ihr sagt. Vielmehr hatte sie schon damals einen Dickkopf und eine Standhaftigkeit die sie noch weit bringen sollte. Bei den Landesmeisterschaften schaffte sie erstmals den Sprung aufs Treppchen. Mit 2:22 Minuten wurde sie Dritte über 800m. Doch die erste Enttäuschung folgte prompt, denn eine anschließende Nominierung für den Länderkampf blieb ihr verwehrt. "Die haben dann die Vierte mitgenommen, wahrscheinlich weil ich nicht im Kader war." Das sollte sich schnell ändern, die Saison darauf durfte sich Christine Schleifer Kaderathletin nenne.
Das erste Kadertrainingslager
Nach einer Saisonpause ging es nur schwer in die neue Saison. "Im Oktober 1998 bekam ich meine Mandeln raus und musste 8 Wochen pausieren. Als ich im Krankenhaus war nahm ich dramatisch ab. Ich wog zwischenzeitlich nur noch 36kg auf 1,69m." Über Silvester ging es voller Neugierde das erste Mal ins Kadertrainingslager nach Tirrenia. "Das war erst mal ein richtiger Schock für mich als ich erfahren hatte, was die anderen so trainierten. Alle so 60km die Woche und ich lächerliche 20." Das erste Mal wurde Christine Schleifer klar, dass da noch sehr viel Potential nach oben war, musste man doch nur mehr trainieren. Doch schon am dritten Tag war alles wieder verflogen: "Ich hab' mir den Innenmeniskus angerissen, weil ich umgeknickt bin." Es folgte wieder eine lange Pause.
Zum Ostertrainingslager war Christine Schleifer wieder fit. "Ich hab' dort alles mit Nadine Denzel trainiert, weil die Landestrainerin meinte, dass ich über 800m meine größten Stärken hatte." Dennoch lief sie in diesen anderthalb Wochen 100km, so viel wie noch nie. "Man darf dabei allerdings nie vergessen, dass die Dauerläufe etwa ein Niveau von 90 Minuten für 15km hatten." Ein Tempoprogramm war beispielweise 5x1000m in 4:12 bis 4:15 min oder 800m/400m/600m/400m/200m/400m in 3:01/1:24/2:11/1:20/0:35 und den letzten maximal in 1:10min. "Bei den Sprints wurde ich angemotzt, weil ich mit dem Fuß immer abgerollt bin und für die 800m darfst du nicht abrollen." Mit gemischten Gefühlen ging es wieder nach Hause, ging es in die anschließende Freiluftsaison.
Deutsche Jugendmeisterschaften 1999 in Duisburg
Bei den Landesmeisterschaften konnte sich Christine Schleifer mit 4:58 Minuten über 1500m in letzter Sekunde für Ihre ersten Deutschen Jugendmeisterschaften qualifizieren. "Die waren damals in Duisburg und ich hatte nur ein Ziel: ich wollte nicht Letzte werden. Im Vorlauf bin ich dann zwar ausgeschieden, aber nicht als Letzte. Das war der erste richtig große Wettkampf für mich und ich hab' das erste Mal das ganze Drumherum mitbekommen." Für Christine Schleifer war dies eine wichtige Erfahrung, war dies eine Erfahrung die sie weiter angespornt hat auch einmal bei großen Wettkämpfen vorne dabei zu sein.
Noch während der Saison stand Christine Schleifer auf einmal ohne Trainer da. "In Maulbronn haben sich meine zwei Trainer Andy Killer und Herr Pöss verkracht." Keine leichte Situation für die junge Athletin aus Mühlacker, denn am Ende der Saison folgte gleich die nächste Enttäuschung. "Ich bin aus dem D-Kader geflogen, weil ich die Norm verpasst habe. Aber warum das so war, warum ich in der Vorbereitung so oft pausieren musste, das hat keine niemanden interessiert." Und Christine Schleifer ist keine die schnell wieder vergisst, ist keine, die bei der nächsten Kadernominierung den letzten Rauswurf nicht mehr im Kopf hätte. Es macht das Wesen von Christine Schleifer aus, dass sie sehr schnell durch Dinge geprägt wird, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt.
Wechsel zum VfL Waiblingen
In Weissach bei einem Kaderlauf wurde sie von Herrn Berger angesprochen. "Er hat mich gefragt, ob ich nicht mal Lust hätte nach Waiblingen zu kommen, um mir das alles anzuschauen. Auch eröffnete er mir die Möglichkeit beim VfL in der Staffel zu laufen." im November 1999 lief Christine Schleifer beim Schwaikheimer Volkslauf die 5km in 19:43min, primär ging es aber darum die anderen Waiblingerinnen kennenzulernen. Bei der anschließenden Weihnachtsfeier im Dezember stand für Christine Schleifer der Wechsel zu Waiblingen fest. "Das wird bestimmt ganz nett mit der Staffel und so." sagte sie sich und trainierte von da an bei Fritz Hauser, einem ehemaligen Bundestrainer, der auch schon Dieter Baumann oder Larissa Kleinmann unter seinen Fittichen hatte. Das Training umfasst in der Vorbereitung nun durchschnittlich 50 bis 60km. Und so ging es auch in das erste Rennen für den VfL Waiblingen, den Landesmeisterschaften über 1500m. "Das war überhaupt nicht zufriedenstellend, ich wurde mit schwachen 5:07min Siebente und war mächtig enttäuscht." Doch bei einem anschließenden Hallensportfest lief die B-Jugendliche mit 4:50 Minuten Bestzeit und zeigte, dass die Landesmeisterschaften nur ein Ausrutscher waren.
Von da an schien der Knoten geplatzt, Christine Schleifer wurde bei den Landesmeisterschaften im Cross Dritte und holte damit die erste Medaille bei Baden-Württembergischen Meisterschaften. Die erste von mittlerweile 37. Es folgte mit 29:23 Minuten die Kadernorm über 7,5km. In der Bahnsaison folgten weitere Leistungssprünge. Eine 10:38 min über 3000m katapultierte sie auf Platz 3 bei den Landesmeisterschaften der A-Jugend. Schon zuvor hatte sie mit 4:50 Minuten die Norm für die Deutschen Jugendmeisterschaften in Dresden geschafft. Doch auch bei ihren zweiten Deutschen Jugendmeisterschaften in Dresden hatte sie das Glück nicht gepachtet. "Ich bin kurz davor krank geworden und konnte kaum trainieren. Halbwegs erholt bin ich dann aber doch gelaufen und sehr enttäuscht Elfte geworden." Ihre Zeit von über 11 Minuten war kurze Zeit später, bei den Süddeutschen Meisterschaften über 3x800m schon wieder vergessen. Der VfL Waiblingen holte Gold.
Warum Hindernislauf ?
"Hindernis wollte ich schon immer laufen, doch leider gab es das ja nie für Frauen. Als ich dann erfuhr, dass es in Esslingen-Zell extra einen Lehrgang für Frauen gab war ich sofort dabei. Kim Bauermeister hatte diesen Lehrgang geleitet. Anschließend trainierte ich einmal die Woche in der Gruppe von Wolfgang Hohl mit und startete dann am 22.09. in meinem ersten Hindernisrennen." Über die Zeit von 7:27 Minuten konnte noch kaum einer etwas sagen, erst später sollte sich herausstellen welchen Wert sie hatte. "Auf der Heimfahrt sagte mir Herr Hohl noch, dass ich nächstes Jahr bei der EM dabei sein werde. Geglaubt habe ich ihm das natürlich nicht." Damit war die Saison 1999/2000 vorbei und Christine Schleifer war wieder ein großes Stück weiter und ihr Weg sollte noch lange nicht zu Ende sein.
Wieder im Landeskader ging die neue Saison gleich mit einem Titel bei den Waldlaufmeisterschaften los. "Das war überhaupt mein erster Württembergischer Einzeltitel." Und Christine Schleifer lief fleißig, arbeitete nach und nach die Trainingspläne von Fritz Hauser ab und war davon überzeugt auf dem richtigen Weg zu sein. "Zwei Wochen vor den Deutschen Crossmeisterschaften in Wetter machte ich 2000m/1000m/2000m/1000m in 7:20 Minuten bzw. 3:20 Minuten." Damit konnte sie selbstbewusst in ihr letztes Rennen als B-jugendliche gehen. "Ich wurde Neunte und war sehr enttäuscht, dass es zu keiner Urkunde gereicht hatte, zumal ich mit meiner Zeit bei der A-Jugend Zweite geworden wäre."
Der erste Deutsche Meistertitel...
Nach einer kurzen aber erfolgreichen Hallensaison ging es im Frühjahr 2001 schon zu den nächsten Deutschen Crossmeisterschaften und zwar nach Regensburg. "Ich erinnerte mich noch an die Worte meines Trainers, der mir in Wetter noch sagte, dass ich beim nächsten Mal mehr als eine Urkunde holen sollte. Das motivierte mich und so rannte ich gleich als erste los. Doch 800m vor dem Ziel wurde ich noch eingeholt und wurde hinter Kristina Federau, Katharina Zeitler und Verena Dreier undankbare Vierte. Ich war am Boden und unglaublich traurig." Christine Schleifer war endgültig in der Deutschen Spitze angelangt, hatte endgültig bewiesen, dass sie schnell und ausdauernd laufen konnte. Sie nahm jede Meisterschaft mit, rannte alles was ihr Herr Hauser sagte. "Die BaWü's lief ich sowieso immer alle." Fast wöchentlich war sie am Start. So auch eine Woche später bei den Landesmeisterschaften über 10km. "Das war mein erster 10km Wettkampf und in 37:53 Minuten wurde ich gleich Zweite." In dieser Zeit lief Christine Schleifer ein Programm von 3x1000m in 3:25 Minuten oder 2000m/2500m/2000m in 7:25min bzw. 9:30min. Wieder zwei Wochen später war Christine Schleifer bei den Deutschen Straßenlaufmeisterschaften am Start. In 58:19min wurde sie über 15km Fünfte.
Nach dem traditionellen Trainingslager in Milano Marittima platzte der Knoten dann endgültig. "Bei den Landesmeisterschaften in Ettlingen verbesserte ich meine Bestzeit über 3000m um 30 Sekunden auf 10:08min und holte meinen ersten BaWü-Titel. Das war mein Durchbruch!" Zuvor hatte sie in Pliezhausen bereits die 7-Minuten Mauer über 2000m Hindernis durchbrochen und sich mit 6:56min für die Deutschen Jugendmeisterschaften in Braunschweig qualifiziert...
Nach Grosseto...
Nach der Europameisterschaft in Grosseto startete Christine Schleifer noch bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften, wo sie ihr erstes 5000m Rennen in 18:04min lief. Nach einer Saisonpause, die in der Regel durch alternative Trainingsmethoden wie Radfahren oder Schwimmen gekennzeichnet war ging es über einen Länderkampf in Friedrichshafen zu den Deutschen 10km Meisterschaften nach Troisdorf. "Dort hat es dann endlich geklappt. Mit Ricarda Lisk und Tine Heilemann haben wir den Mannschaftstitel bei den Juniorinnen gewonnen. Das war richtig schön." Daraufhin wurde Christine Schleifer zum ersten Mal in den Bundeskader berufen.
Das Jahr 2002 sollte unter keinem guten Stern stehen. "Bei den Landesmeisterschaften in der Halle wo ich über 1500m in 4:43min Zweite wurde bin ich mit Andy (Günzel) warm gelaufen. . Ich weiß es nicht sicher, aber da alle der Gruppe Hohl dieses Pfeiffersche Drüsenfieber hatten, hab ich mich da wohl angesteckt." Sehr schnell merkte Christine Schleifer die Auswirkungen, trotzdem lief sie im Schnitt weiter etwa 70km die Woche. "Eine Serie von 5x500m konnte ich nicht schneller als 1:40min im Schnitt laufen, ich fühlte mich einfach platt, wusste aber nicht warum." Trotzdem lief sie die Deutschen Crossmeisterschaften, tat sich damit aber keinen Gefallen. "Das lief richtig schlecht, also bin ich anschließend zum Hausarzt und hab einen Bluttest machen lassen. Da man für eine Diagnose aber zwei Tests mit einem gewissen Zeitabstand braucht, konnte noch nicht gesagt werden ob ich mich wirklich angesteckt hatte." Bei den Deutschen Straßenlaufmeisterschaften im hessischen Schotten war Christine Schleifer daher dabei. "Alle sagte mir, ich solle nicht laufen, selbst die Bundestrainer rieten mir ab, doch ich wollte einfach laufen, da es mein letztes Rennen als A-Jugendliche war und somit vielleicht auch die letzte Chance auf ein Einzeltitel." So startete Christine Schleifer zwei Wochen nach den Cross über 10km und lief ein Rennen, das nicht so recht zu ihrer bisherigen Form passte. Eine Medaille schien greifbar. Bis 50m vor dem Ziel war Bronze möglich. Doch nachdem sie in der Verfolgergruppe lange Zeit Tempo gemacht hatte, konnte sie den Spurt der Verfolgerin nicht mehr abwehren. Mit einer 4 Sekunden auf Bronze kam sie in einer Bestzeit von 36:49min wieder auf Platz vier. Es war wie damals 2001 in Regensburg, es war wieder dieser unglaublich ärgerliche vierte Platz.
Die Krankheit schien verflogen, Christine Schleifer
ging trotz Abitur ins DLV-Trainingslager nach Usedom.. "Dort kam ich vor lauter
Kochen und Trainieren gar nicht zum Lernen. Damit war ich total überfordert."
Hinzu machten sich Halsschmerzen bemerkbar. "Ich hab mich richtig mit
Medikamenten zugedonnert. Und dann knickte ich im Training auch noch um. Mit
Tape ging es dann wieder, doch als es wieder weg musste, hatte ich auf einmal
offene Wunden." Wieder zu Hause angekommen, war ein Brief der Uni Klinik
Freiburg da. Die
Entzündung steckte im Körper. Christine Schleifer wurde erlaubt zu
trainieren, solange sie kein Fieber hatte. Bis Juni 2002 machte Christine
Schleifer Wettkampfpause.
Länderkampf in Newport
Man erkennt das Talent eines Läufers oft daran, dass er mit sehr wenig Training sehr schnell laufen kann. Christine Schleifer konnte sehr schnell wieder ein Niveau erreichen, das ihr an einem Tag den Landesmeistertitel über 3000m in 10:18min und knappe zwei Stunden später den Titel über 2000m Hindernis in 7:13min bescherte. "Das war das Jahr der U20 Weltmeisterschaft in Jamaika und da wollte ich auch hin." Bei der Juniorengala in Mannheim lief Christine Schleifer ihr bis dato bestes Hindernisrennen. "Auch wenn es keine Hindernisse gab und wir über Hürden mussten und den Männerwassergraben schaffte ich die Norm von 6:50min. Doch meine 6:46min brachten mir nichts, da es in Jamaika kein Hindernisrennen für Frauen geben sollte." Doch es sollte eine Entschädigung geben, Christine Schleifer wurde für einen DLV Länderkampf in Newport nominiert. "Zuvor blieb ich bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Mönchengladbach in Führung liegend 500m vor dem Ziel mit dem Knie am Hindernis hängen und zog mir eine Risswunde auf der Kniescheibe zu, die mit Klammerpflaster behandelt werden musste. In 6:50,00min wurde Christine Schleifer hinter Kristin Möller Zweite. "Doch Deutsche Meisterschaften scheinen wie Beiwerk, wenn Christine Schleifer von internationalen Einsätzen schwärmt. "Newport war einfach gigantisch. Die tolle Stimmung der Zusammenhalt. Wenn du das einmal erlebt hast, dann fragst du dich nicht mehr wofür du trainierst." Christine Schleifer lief die 3000m in England in 10:08min.
Das erste Mal 3000m Hindernis
Auf einer Welle der Euphorie folgten weitere riesige Leistungssprünge. "Mein erstes 3000m Hindernisrennen lief ich anschließend bei den Süddeutschen Meisterschaften wo ich in 11:08,78min gleich Dritte wurde. Im zweiten Lauf über die lange Hindernisdistanz zeigte das Leichtgewicht dann sein wahres Leistungsvermögen. Nach 10:38min wurde sie bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften als A-Jugendliche Dritte. "Da passte alles, ich war so motiviert und glücklich. Im anschließenden Urlaub trainierte ich mit einem italienischen Triathleten und bereitete mich gezielt auf mein erstes 10000m Rennen auf der Bahn vor." Christine Schleifer lief in dieser Zeit Programme wie 3x (2000m/1000m) mit 2,5min Pause in 7:10min bzw. 3:25min. 8x1000m konnte sie in 3:30min laufen. Das umfangreiche Training zeigte Wirkung, Christine Schleifer lief die 10000m bei einem Abendsportfest in 36:10min und stellte einen neuen württembergischen Rekord auf. "Das war quasi der Beginn meiner Langstreckenkarriere." gibt sie rückblickend zu. Damit war sie das erste Mal im B-Kader.
Nach der Saisonpause ging es mit 80km im Schnitt in die Saison 2002/03. Es sollte eine Saison sein in der erstmals Anzeichen des harten Trainings und der vielen Wettkämpfe zum Vorschein kommen sollten. Nach dem Landesmeistertitel über 10km in lockeren 37:01min verpasste Christine Schleifer in Tillburg wegen einem Platz die Qualifikation für die Cross Europameisterschaften. Dafür gewann sie den Deutschen Cross-Cup und war auf dem Weg in eine weitere, noch erfolgreichere Saison. In einem Trainingslager über Silvester in der Türkei baute Christine Schleifer ihre Form weiter aus. "Ich war wirklich in der Form meines Lebens." Direkt danach ging es nach Saarbrücken zu einem Kaderlehrgang wo Christine Schleifer Programme wie 6x1000m unter 3:20min mit 2,5min Trabpause oder 3x5x200m in 33 Sekunden abspulte. Es ging immer weiter, immer schneller, bis die Bundeskaderathletin ihre Form bei den Süddeutschen Hallenmeisterschaften unter Beweis stellen musste. "Ich hatte nach Saarbrücken schon leichte ISG- Probleme, wollte aber unbedingt einen Wettkampf laufen. "In Hanau lief sie die 3000m in 10:05min, einer Zeit, die in keiner Weise das widerspiegelt, was das Training gezeigt hatte. "Durch das Rennen verschlimmerten sich die Schmerzen im ISG-Bereich, daher musste ich erst mal ein bisschen kürzer treten." Doch bereits bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Bad Dürrheim Anfang 2003 zeigte sich, was sich in der Halle schon angedeutet hatte: Der schmächtige Körper konnte nicht immer nur Vollgas geben. Ein Knieödem machte sich bemerkbar und verhinderte eine bessere Platzierung als den 7. Rang. "Ich wollte das nicht wahrhaben, ich war außer mir vor Wut." Es ging nicht weiter, Christine Schleifer stieg 3 Wochen auf Aquajogging um. "Am Olympiastützpunkt sagte man mir, dass es etwa 120 Möglichkeiten gebe, von denen meine Schmerzen ausgehen konnten." Ein anderer Arzt fand sie, fand die Ursache in einer Schulterblockade. "Er sagte mir, dass es nicht schlimmer werden konnte, dass die Schmerzen so oder da sein würden." Also ließ sich Christine Schleifer fit spritzen, schenkte dem Arzt glauben und ging mit einer flachen Vorbereitung im Wasser zu den Deutschen Halbmarathonmeisterschaften nach Burghaslach.
Halbmarathon DM in Burghaslach
"Das war mein erster Dauerlauf nach meiner Pause, ich bin nicht mal Eingelaufen." Die Zeit von 1:22:03 Stunden und der vierte Platz zeigten ein enormes Potential auf den 21,1km auf. Doch Christine Schleifer musste noch lernen Geduld zu haben, musste noch lernen in ihren Körper hineinzuhorchen. Was folgte waren erst mal 5 Wochen absolute Trainingspause. Doch schon beim Ostertrainingslager nahm das Dilemma seinen Lauf. "Ich stieg gleich von Null auf Hundert ein und war völlig übertrainiert. Ich glaube in einer Woche war ich 3 Mal auf der Bahn Tempoläufe machen." In der Folgezeit lief gar nichts. Bei einem 3000m Rennen in Weinstadt verlor sie nach 10:26min jeden Glauben an Besserung. Christine Schleifer merkte, dass es so nicht weiter gehen konnte. Sie nahm den Gang raus, drosselte das Training und ging mit angekratztem Selbstvertrauen zu den Deutschen Langstreckenmeisterschaften nach München. "Ich dachte während des Rennens einfach die ganze Zeit an irgendwelche schönen Dinge." Und das half, Christine Schleifer lief mit 35:48min Bestzeit und war wieder voller Motivation.
Deutsche Meisterschaften 2003 in Ulm
Von nun an lief es wieder. 3 Wochen später rannte sie in Kaarst die 3000m Hindernis in 10:32min und unterbot die internationale Norm für die U 23 EM. "Der Bundestrainer Werner Klein sagte mir nach dem Rennen, dass ich, bei der EM dabei wäre, wenn ich die Deutschen gut laufe." Gemeint waren die Deutschen Meisterschaften der Aktiven in Ulm, dem Ort wo Christine Schleifer ihren bis dato größten Erfolg feiern sollte. "Ich war richtig motiviert und wusste, dass ich was drauf hatte. 10 Minuten vor dem Start kam Herr Klein auf mich zu und sagte mir, dass ich unter 10:20min laufen musste." Für Christine Schleifer war dies nahezu ein Genickbruch. In einem Meisterschaftsrennen bei hochsommerlichen Temperaturen war eine Leistungsverbesserung in diesem Maße nahezu ausgeschlossen. "Ich wollte es dennoch probieren und fragte andere Läuferinnen ob sie sich nicht an der Tempoarbeit beteiligen wollten." Keine machte mit Christine Schleifer musste also alleine von der Spitze rennen. "Die ersten 2200m machte ich Tempo, bis Katrin kurz anzog und vorbei ging. Auch Daniela Pogorzelski zog vorbei. Da dachten alle schon, dass ich nicht mehr kontern könne, da ich ja gemeinhin nicht als beste Spurterin bekannt bin. Doch 300m vor dem Ziel gab ich noch mal Gas und da wusste ich, dass ich noch Zweite werden konnte, wusste ich dass ich Daniela noch überholen konnte." Die Zeit blieb bei unbedeutenden 10:46min stehen. "Im ersten Moment war mir das völlig egal, denn ich war Zweite, ich war Zweite bei den Aktiven. Und sie fügt noch hinzu: "Ich wollte immer Silber, weil das einfach die schönste Farbe ist." Solche setzte sagt Christine Schleifer gerne, solche Sätze die immer das Positive in der Sache sehen. Andererseits erzählt Christine Schleifer aber auch gerne, wenn sie enttäuscht ist, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt. So auch nachdem sie realisiert hat, dass sie nicht für die EM nominiert wurde. "Ich versteh das nicht, einige Läuferinnen in der Europäischen Bestenliste waren zu diesem Zeitpunkt langsamer als ich und die durften mit. Warum? Weil sie für ein anderes Land starteten." In solchen Momenten sucht Christine Schleifer nach Erklärungen, nach dem logischen Gefüge hinter diesem System. "Man sagte mir, dass ich, um im B-Kader zu bleiben, bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften in Krefeld gut laufen müsse. Das motivierte mich unglaublich. Ich hab auf Teufel komm raus trainiert, bis sich auf einmal Achillessehnenprobleme bemerkbar machten. Nach kurzer Zeit dachte ich, dass es wieder o.k. sei und bin in Krefeld an den Start gegangen, wollte ich doch unbedingt im Kader bleiben." In Krefeld stieg Christine Schleifer aus und sah ein, dass man mit Gewalt nicht weit kommt. "Warum ich dann trotzdem weiter im B-Kader blieb wusste ich nicht."
Nach vier Wochen Pause lief Christine Schleifer die Deutschen 10km Meisterschaften in Troisdorf ohne Training. "Mit Tina Heilemann und Cornelia Kast haben wir wieder die Mannschaft gewonnen. Im Einzel bin ich in 36:49min Vierte geworden. Doch dieses Mal war ich mit diesem Platz sehr zufrieden." Es folgten weiter zwei Wochen Pause .
Neuer Trainer - neues Training
Gleich mit einem Lehrgang in Saarbrücken ging es dann in die Saison 2003/04 "Dort freundete ich mich mit Ricardo Giel an, da wir mit Abstand die schlechtesten Radfahrer beim B-Kader Lehrgang waren und wir die anderen schon nach kurzer Zeit aus den Augen verloren hatten." Nach Saarbrücken trainierte Christine Schleifer weiter, trainierte mehr denn je. "Die Bundestrainer sagten mir, dass das Trainerverhältnis mit Herrn Hauser nicht optimal für mich sei, weil er unzuverlässig, seine Einstellung zum Training zu konservativ und das Ferntraining per Fax und Telefon, ohne Betreuung vor Ort unprofessionell seien." Christine Schleifer fand in diesen Worten nicht unbedingt neue Erkenntnisse. "Ich schätze Herrn Hauser als Trainer sehr. Seine Erfahrung, seine Routine. Als Trainer ist er ein richtiger Fuchs." Christine Schleifer entschied sich dennoch für eine neue Lösung und fragte Werner Klein der ihr einen Vorschlag unterbreitete: "Es sollte so sein, dass Herr Klein mit Herrn Hohl die Trainingspläne von mir abstimmt und Herr Hohl mein Training überwacht, weil er vor Ort ist." (vgl. E-Mail W. Klein) Das war dann auch das letzte Mal, dass Christine Schleifer etwas vom Bundestrainer hörte. Herr Hohl war nun entgegen der Abmachung Christine Schleifers 100-prozentiger Trainer. Hinzu kam ein Vereinswechsel zum LV Biet. Dort sollte mit Felicitas Mensing und Tamara Walter eine vielversprechende Mannschaft aufgebaut werden.
Das Training nahm ganz neue Formen an. "Ich machte weniger Umfang, weniger Intensität und mehr Kräftigung, damit ich erholter in die Wettkämpfe gehen konnte." Als Hauptstrecke zielte Christine Schleifer immer noch auf die 3000m Hindernis ab, in der Vorbereitung sollte der Halbmarathon schnell gelaufen werden. Und so ging es auch los. "In Siegburg bei den Deutschen Halbmarathonmeisterschaften bin ich Zweite bei den Juniorinnen geworden. " Christine Schleifer steigerte ihre Bestzeit auf 1:18:48 Stunden und Vielen wurde klar, dass die Zukunft der Läuferin des LV Biet auf der Straße lag. "Alle sagten mir, dass ich die geborene Straßenläuferin sei, da mein Laufstil schon sehr darauf hindeutet. Doch ich wollte mir nichts einreden lassen. Ich war überzeugt, dass ich auch auf der Hindernisstrecke eine Zukunft hatte." So war und ist Christine Schleifer. Eine die einen Dickkopf hat, eine die ihren Kopf gegen Jeden durchsetzen will. Bei den anschließenden Langsteckenmeisterschaften über 10000m in Borna wurde Christine Schleifer erneut Zweite bei den Juniorinnen. "Ich wäre schon gern eine 35er Zeit gelaufen, war dann aber auch mit der 36:00min zufrieden, da ich alles alleine laufen musste."
DM in Braunschweig - keine Säuretoleranz
Dann ging es in die Freiluftsaison und Christine Schleifer fühlte sich gleich im ersten Rennen über 3000m Hindernis wie im falschen Film. "Bei den Landesmeisterschaften bin ich über 11 Minuten gelaufen, das war katastrophal und ich war richtig deprimiert." Beim Pforzheimer Citylauf tankte sie auf der schweren 10km Strecke in 36:28min wieder Selbstvertrauen und wollte einfach nicht wahrhaben, dass sie über die Hindernisse nicht mehr drauf hatte. Christine Schleifer erlebte bei den anschließenden Deutschen Meisterschaften wohl die größte Enttäuschung ihrer Laufbahn. "Das war mein Geburtstag und es war alles so furchtbar. Ich hatte zwar eine tolle Technik, konnte aber einfach nicht schnell rennen. Wie auch? Wir hatten in der Vorbereitung ja keine Tempoläufe über Hürden gemacht, wo sollte ich die Säuretoleranz auch her haben? Ich bin ausgestiegen, ich konnte einfach nicht mehr, es war so schrecklich." Beim Länderkampf im August 2004 in Manchester lief Christine Schleifer ihr bis dato letztes Hindernisrennen. Ihre Zeit von 10:56min sprach Bände. In den Kaderlisten des DLV tauchte die Läuferin aus Mühlacker danach nicht mehr auf.
Für Christine Schleifer war die Bahnsaison abgehakt, nun wollte sie bei den Deutschen 10km Meisterschaften in Bad Liebenzell endlich beweißen, dass ihre bisherige 10km Bestzeit keineswegs das widerspiegelte, was in ihr steckte. "Nach der Saisonpause hab' ich mich dann mit Dauerläufen und Fahrspielen auf die DM vorbereitet. Auf der Bahn war ich kein einziges mal, weil ich einfach lieber im Wald laufe. Die Bahn hatte ich satt." In dieser Zeit lief Christine Schleifer um die 100km die Woche, machte Tempodauerläufe über 10km in 36:20min und war wieder voller Tatendrang. "Ich wusste, dass ich was drauf hatte und das wollte ich endlich beweißen." Mit einer Zeit von 35:55min und der Bronzemedaille bei den Juniorinnen konnte man Christine Schleifer nach einem Lauf endlich wieder lachen sehen. "Das war fantastisch. Und dann noch der Titel mit der Mannschaft, ich war wieder so glücklich."
Umstieg auf die Straße
Christine Schleifer schien ihr Glück gefunden zu haben, schien in ihrem Element angekommen zu sein. "Ich hatte durch die Straße wieder Selbstvertrauen getankt und deshalb wollte ich auch weiterhin Straßenwettkämpfe laufen." Von nun an war das Hindernislaufen erst mal auf Eis gelegt. Mit einem durchschnittlichen Wochenumfang von etwa 100km wollte Christine Schleifer die Deutschen Halbmarathonmeisterschaften in Ohrdruf Anfang 2005 angehen. "Das hatte ich als Ziel und ich wusste, dass ich meine Bestzeit deutlich seigern konnte." Anfang Januar 2005 ging es zur Vorbereitung mit der Gruppe um Stephan Hohl ins Trainingslager nach Spanien. Was dort geschah erzählt Christine Schleifer auch heute noch, als sei es gestern gewesen. Sie erzählt es so genau und detailliert, weil es große Auswirkungen für sie hatte. "Während eines Dauerlaufs habe ich eine Eisenstange nicht rechtzeitig gesehen und bin aus vollem Lauf dagegen. Dabei flog ich auf meinen Finger, was einen Kapselriss nach sich zog. Hinzu kamen einige Hämatome und Schmerzen in der Wade, am Knie und am Schienbein." Glücklicherweise war der Mannschaftsarzt der LR Ahlen auch vor Ort, so dass alle Verletzungen gut versorgt werden konnten. "Im Anschluss hab ich nur noch ganz ruhige Dauerläufe gemacht." Als Christine Schleifer wieder in Deutschland war zeigten sich erste Nachwirkungen des Sturzes. "Beim Laufen machten meine Waden- und Schienbeinmuskeln völlig zu. Ich musste Gehpausen einlegen, dachte es sei nur eine Verhärtung." Nach einer Woche war es noch immer nicht besser. Christine Schleifer suchte einen Arzt auf, der keinen Rat wusste. Nach einiger Zeit fand sie einen, der ihr Enzymtabletten verschrieb und ihr Stützstrümpfe empfahl. Mit diesen und einen Training, dass kaum vorhanden war lief sie in Ohrdruf den Halbmarathon. "Das war der härteste Wettkampf meines Lebens, ich wäre wohl ausgestiegen hätte mich mein Mitläufer nicht motiviert durchzulaufen." Nach 1:19:55 Stunden war Christine Schleifer im Ziel. Trotz allem durfte sie sich noch über eine weitere Vizemeisterschaft freuen. "Das gab mir wenigstens wieder etwas Auftrieb, nachdem die Vorbereitung wieder so schief gelaufen ist."
Deutsche Langstreckenmeisterschaften 2005 in Koblenz
Christine Schleifer konnte sich wieder erholen, konnte ihre Verletzungsprobleme abstellen und ging das erste Mal seit langem wieder ein Bahnrennen an. Bei den Landesmeisterschaften dominierte sie das Feld und verbesserte ihre bisherige Bestzeit auf 17:23min. "Damit war ich voll zufrieden, das lief richtig rund." Es war ein gutes Vorzeichen für die anstehen Deutschen Langstreckenmeisterschaften in Koblenz, wo die doppelt so lange Distanz auf dem Programm stand. Doch in der stehenden Hitze im Koblenzer Stadion lief nicht viel zusammen. Von Magenkrämpfen geplagt schleppte sich Christine Schleifer nach 37:26min noch auf den dritten Platz. "Zufrieden war ich damit sicher nicht." Dass sie in der Hitze doch schnell laufen kann bewies sie drei Wochen vor den Deutschen beim Illinger Citylauf, wo sie in 35:53min Bestzeit lief.
Training, Philosophie...
Das Training von Christine Schleifer hat sich im Laufe der Jahre sehr gewandelt. "Bei Herrn Hauser waren zwei bis drei Tempoeinheiten die Woche, meist auf der Bahn, ganz normal. Seit ich bei Herrn Hohl trainiere laufe ich mehr Tempodauerläufe und bin eigentlich gar nicht mehr auf der Bahn." Christine Schleifer läuft nie alleine. "Entweder fahren meine Eltern mit dem Rad mit. An Wochenenden laufe ich oft auch mit meinem Freund." Christine Schleifer trainiert nicht mehr stur nach dem Trainingsplan, den sie alle vier Wochen bekommt. "Ich überleg mir schon ob das Sinn macht, weil der Trainer nicht wissen kann wie es in mir aussieht." So hat Christine Schleifer ihre ganz eigene Trainingsphilosophie entwickelt. "Die Dauerläufe zügig, eine Tempoeinheit die Woche und ganz lockere Läufe nach den Belastungen." Ein einfaches Rezept, das allerdings auch Wirkung zeigte. "Allerdings bin ich eine absolute Schönwetterläuferin. Wenn es zu kalt ist, regnet oder schneit laufe ich daheim auf unserem Laufband."
Deutsche Hochschulmeisterschaften und Baden Marathon
"Nach den misslungen Halbmarathonmeisterschaften in Ohrdruf wollte ich auf jeden Fall noch einen schnellen Halbmarathon laufen und die Bundeskadernorm von 1:17:30 Stunden unterbieten." Und wenn Christine Schleifer so etwas sagt setzt sie auch alles daran das zu erreichen. Nach einigen Straßenläufen ging es in die Schweiz, wo sie sich in aller Ruhe mit Dauerläufen und Fahrtspielen auf den Halbmarathon in Karlsruhe vorbereitete. "Ich hab richtig gemerkt wie es von Tag zu Tag besser ging, hab' aber auch in meinen Körper hineingehorcht und lief auch mal langsamer wenn es sein musste. Ich spürte, dass ich auf dem richtigen Weg war." Aus der Schweiz zurück absolvierte Christine einen Tempodauerlauf, der sie selbst vom Hocker warf. Sie lief die 12km in 41min, was einer 10km Zeit von 34:09min entspricht. Als letzter Testlauf standen die Deutschen 10km Hochschulmeisterschaften in Hamburg auf dem Plan. In 34:45min schien alles zu passen, schien die Vorbereitung richtig gewesen zu sein. Die Zeit von 1:17:30 Stunden schien machbar. "Für Karlsruhe konnte ich zwei Tempomacher gewinnen, so dass wir ein richtiges Grupetto bildeten." Nach den ersten 10km in 36:29min lief die Gruppe das Tempo gleichmäßig durch. Christine Schleifer unterbot die Norm deutlich und freute sich riesig über eine Zeit von 1:16:48 Stunden. "Ich war sehr sehr glücklich, da ich ja auch noch nie einen so großen Lauf gewonnen hatte. Zudem war das Wetter klasse und die Zeit natürlich auch." Christine Schleifer lebt auf, wenn sie das erzählt. Man merkt schnell, dass dieses Erlebnis für Christine Schleifer als Quelle dient, die sie in schlechten Zeiten anzapft.
Die große Enttäuschung
Doch die nächste Enttäuschung folgte schon einige Tage später. "Ich war nicht im Kader, bin einfach nicht nominiert geworden." Ratlosigkeit machte sich breit, hatte sie doch die ausgeschriebene Norm ganz klar unterboten. Ein Schreiben des Bundestrainers brachte dann eine Erklärung die die Enttäuschung eher verstärkte, als ihr entgegenzuwirken. "Es hieß, dass sie dir Norm im Saisonverlauf auf Anordnung des DSB auf 1:16:15 Stunden anheben mussten, so dass eine Nominierung für mich nicht möglich war. Ich hab' noch kurz vor dem Rennen in Karlsruhe die Normen auf der Verbandsseite angeschaut und da standen diese 1:17:30 Stunden. Hätte ich das gewusst, dann wären wir eben auf diese 1:16:15 Stunden angelaufen und hätte probiert diese Zeit zu knacken." Christine Schleifer kam ins Zweifeln, suchte wieder vergeblich nach der Gerechtigkeit. "Ich hatte die Schnauze voll. Ich hatte auf so vieles verzichtet und mich voll auf diese Norm konzentriert. Und dann war alles für die Katz. Da stehst du da und hast auf einmal gar nichts mehr." sagt Christine Schleifer mit tiefer Enttäuschung in der Stimme. "Während der ganzen Zeit, seit ich aus dem Kader raus war, hat sich keiner der Landes- oder Bundestrainer erkundigt wie es mir geht. Für die war ich nur noch Luft." Für Christine Schleifer brach erneut eine Welt zusammen, eine Welt die sie sich hart erarbeitet hat. Alles hat sie dem Laufen untergeordnet, hat immer daran geglaubt, dass sich Leistung auszahlt, dass all die Aufopferungen einmal belohnt werden würden. Doch nun ist Christine Schleifer davon abgekommen, hat sie ihre Konsequenzen daraus gezogen. "Mit dem DLV will ich nichts mehr zu tun haben. Ich hab' einfach keinen Bock mehr auf Meisterschaften und den ganzen Druck der damit verbunden ist." Entscheidungen trifft Christine Schleifer immer endgültig, Entscheidungen überlegt sie sich gut. "Ich hab' sehr viel darüber nachgedacht, es sind auch einige Tränen geflossen, aber ich wollte so etwas einfach nicht noch einmal erleben."
Für den Außenstehenden mag diese Entscheidung übertrieben erscheinen, mag sie nicht nachzuvollziehen sein, doch für Christine Schleifer ist sie klar ist sie ganz ihrem Naturell entsprechend konsequent und tief durchdacht. Jetzt hat sie neue Ziele hat Ziele die nicht mehr an den Sport geknüpft sind: "Mein Studium möchte ich nun so schnell wie möglich beenden und anschließend einen tollen Job bekommen. Wäre ich in den Kader gekommen, dann hätte ich mir noch ein oder zwei Semester mehr Zeit gelassen, hätte dem Sport weitaus mehr Bedeutung geschenkt. Doch jetzt werde ich nur noch Straßenläufe machen, weil ich dort mehr Spaß und Freude finde und weil ich da auch für gute Leistungen belohnt werde." Man hört Christine Schleifer nicht gerne so reden, weil man ständig daran erinnert wird, wie vielversprechend doch alles begonnen hat, wie Saison um Saison die Zeiten schneller wurden und trotz Verletzungen immer Medaillen bei Deutschen Meisterschaften heraussprangen.
Hobbies
So kann Christine Schleifer nun auch vermehrt ihren Hobbys nachgehen, kann wieder Snowboarden gehen wann sie will, kann wieder an Wochenenden Konzerte besuchen und die Dinge alle ein wenig ruhiger angehen. "Ich mache sehr gerne einfach gar nichts. Hört sich langweilig an, ich finde es aber toll. Einfach daliegen, Musik hören und entspannen." Überhaupt hat Christine Schleifer eine enge Beziehung zur Musik. "Den Rüde von den Sportfreunden Stiller kenne ich gut, wenn sie in der Nähe spielen, sind wir natürlich immer dabei." Ansonsten hört sie gerne Indie-Rock, Punk oder Alternativ. "Mein Lieblingsfilme sind About a boy und Sonnenallee, ansonsten schau' ich gern Filme auf den ersten drei Programmen und natürlich Verbotene Liebe."
Ernährung
Christine Schleifer hat einen Magen, der absolut als Phänomen gelten darf. Auch wenn man es ihr nicht ansieht kann sie ohne Probleme mal ein Kilogramm Gnocchi in sich verschwinden lassen. "Es kam schon öfter vor, dass ich mich einfach überfressen hab'. Besonders wenn's Linsen mit Spätzle gibt." gibt sie mit einem Lachen zu. "Vollkorn mag ich gar nicht, lieber Weißmehl und natürlich als Getränk Rivella." Sonst nimmt Christine Schleifer täglich ein Magnesiumpräparat,, hin und wieder Eisen und Zink. Dazu schwört sie auf getrocknete Aprikosen und einen Apfel täglich. Fettreiche Produkte stehen dagegen nie auf ihrem Speiseplan. "Fleisch ess' ich nur weil ich der Meinung bin, dass es nicht ohne geht."
Schule, Studium, Zukunft...
In der Schule hat sich Christine Schleifer nie schwer getan. Sie machte 2002 ein sehr gutes Abi und studiert nun im 7. Semester BWL mit Vertiefung Werbung Marketing-Kommunikation an der Hochschule Pforzheim. "Wenn alles glatt läuft bin ich nächstes Jahr fertig." blickt sie in die Zukunft. "Die Hochschule hat mich schon unterstützt, hat mir die Möglichkeit gegeben Prüfungen in Meisterschaftszeiten zu verschieben. Einen großen Anteil daran hat auch mein Trainer Herr Hohl." Ab März macht Christine Schleifer ein Praxissemester bei Porsche in Weissach ehe sie an die Diplomarbeit geht.
Sponsoring
Mit Sponsoren sieht es nicht besonders rosig aus. "Über das hhs-Team bekomme ich meine Trainingslager bezahlt. Schuhe bekomme ich hin und wieder von Harald Feierabend, meiner Oma oder hhs. Eigentlich hatte ich ja mit Kelme einen Ausrüster, doch außer vielen Versprechungen, habe ich so gut wie nichts bekommen.
Mit dem Wechsel hin zur "ambitionierten Hobbyläuferin" ist Christine Schleifer eine weitere Athletin die eine viel versprechende Läuferkarriere abgebrochen hat. Ob Larissa Kleinmann, Johanna Braun, Katharine Witte, Katharina Splinter oder Antje Hofmann - Christine Schleifer schließt sich dieser Reihe nun an. Das Laufen aufhören wird sie nicht, man wird sie bei Volksläufen treffen, nur dem Deutschen Leichtathletikverband, dem ist sie verloren gegangen. Zudem wird sie sich zum Jahreswechsel der LG Neckar-Enz anschließen. Damit schließt sie ein Kapitel und fängt ein neues, ein noch offenes an: "Wie sich das nahende, mit viel Zeitaufwand verbundene Studienende auf die Leistungen im Halbmarathon und über 10km auswirken wird, wird sich im Laufe der Saison bei diversen Volksläufen zeigen." blickt Christine Schleifer in die Zukunft und fügt hinzu: "Ich möchte einfach Spaß haben und mein Bestes geben."
Die Geschichte der Christine Schleifer ist vielleicht nur eine von vielen. Doch kann man durch sie erfahren, was es bedeutet seine Jugend zu Opfer, sein Leben dem Sport unterzuordnen um am entscheidenden Punkt einfach fallen gelassen zu werden. Dadurch wird sich nichts ändern. Es wird auch weiterhin Fälle wie diesen geben. Nur sollte man sich bewusst machen, dass Laufen als Leistungssport weit mehr ist als nur Laufen ist. Leistungssport ist Aufopferung, sind Qualen, Verzichte und im Grunde ein eigenes Leben. Das verlangt Charakter, verlangt Eigenmotivation, Disziplin und ganz viel Geduld. Man sollte das nicht einfach fallen lassen, sollte es nicht als einen weiteren Fall abtun. Denn Respekt, Anerkennung und Vertrauen wiegen für einen Sportler weit mehr als Medaillen und Zeiten.
Stefan Faiß (20.-30.11.2005)
Anmerkungen:
Sponsoring:
Finanziell unterstützt wird Christine Schleifer vom hhs-Team, dass die Kosten für Trainingslager trägt.